Montag, 3. November 2008

Immer Ärger mit Bruno

Nach Borat schlüpft der Komiker Sacha Baron Cohen nun in die Rolle des österreicherischen Modejournalisten Bruno - und sorgt auf den Fashion Weeks für reichlich Trubel...


Die Mailänder Modewoche hatte begonnen und zunächst schien alles wie immer: die Models stolzierten mit ernster Miene den Laufsteg entlang, an ihren zarten Körpern die luftigen Kleider der Frühjahrs-/Sommerkollektion 2009. Im Publikum, mit noch ernsteren Mienen und ausgerüstet mit dunklen Sonnenbrillen, saßen die Wichtigsten der Modebranche. Umso wichtiger die Person, desto näher ihr Platz zum Laufsteg.

Und dann, am siebten Tag der Mailänder Fashion Week, am Freitag den 26. September, kam es unerwartet z
um Eklat: Ein grotesk wirkender Mann mit blond gesträhnter Perücke, einem überweiten, schwarzen Cape und mindestens zehn Lagen schräg anmutender Kleidungsstücke darunter tauchte plötzlich wie aus dem Nichts auf dem Laufsteg der spanischen Designerin Agatha Ruiz de la Prada auf.
Wer genau hinsah, bemerkte schnell, dass sich unter der Perücke kein Unbekannter verbarg. Es handelte sich um den britischen Komiker Sacha Baron Cohen, der bereits als Möchtegern-Rapper Ali G und als kasachischer Reporter Borat für viel Furore sorgte und damit die Lachmuskeln einiger Fans bis auf das Äußerste strapazierte. Nun ist der Modezirkus in das Visier seiner Spaßattacken g
erückt. Dafür ist Cohen in die Rolle des österreicherischen, homosexuellen Modejournalisten Bruno geschlüpft.

Doch versteht die Modebranche Spaß? Die Models zumindest ließen sich erstmal nichts anmerken, das Publikum war größtenteils amüsiert und die Designerin scheinbar ziemlich verärgert. Zunächst erschien am Laufstegrand ein älterer Herr in grauem Anzug. Er zupfte Bruno am Ärmel und forderte ihn auf, den Laufsteg sofortig zu verlassen. Bruno ließ sich nicht beirren und marschierte „professionell“ mit zielgerichteten Schritten und mit starrem Blick weiter. Doch plötzlich ging das Licht aus. Sicherheitsmänner stürmten den Laufsteg und überwältigten den Komiker. Italienische Polizisten verhafteten ihn und nahmen ihn mit auf das Revier, um ihn nach kurzer Zeit, straflos, wieder zu freizulassen. Hätten sie Bruno einfach weiterlaufen lassen, wäre das Aufsehen wahrscheinlich nur halb so groß gewesen.


Wie sich herausstellte, war dies nicht sein erster Streich. Mit gefälschten Pässen hatten sich der verkleidete Cohen und sein Kameramann bereits zuvor in den Backstage-Bereich des italienischen Labels Iceberg geschmuggelt. Nachdem er eine Kleiderstange umgeworfen hatte und einige Models „Security, Security“ riefen, wurde er allerdings, noch bevor er den Laufsteg stürmen konnte, von Sicherheitsmännern überwältigt und nach draußen transportiert.


Warum aber dieser ganze Aufwand? Sacha Baron Cohen dreht nach den beiden Kassenschlagern „Ali G in da House“ und „Borat: Cultural Learnings of America for Make Benefit Glorious Nation of Kazakhstan“ nun seinen neuen Kinofilm „Bruno: Delicious Journeys Through America For The Purpose Of Making Heterosexual Males Visibly Uncomfortable In The Presence Of A Gay Foreigner In A Mesh T-Shirt“, der im Mai 2009 in den Kinos anlaufen soll.
„Bruno“ war der erste Charakter, in den Sacha Baron Cohen als Komiker schlüpfte. Enstanden ist die Figur, nachdem Cohen im zarten Alter von 23 Jahren als Männermodel tätig war. Bereits in seiner TV-Sendung „The Ali G Show“ trat er regelmäßig als homosexueller Modejournalist und Redak
teur auf. „Funkyzeit mit Bruno“ hieß die Rubrik, bei der er für den fiktiven Fernsehsender OJRF (Österreicherischer Jungen Rundfunk) mit deutsch-österreicherischen Akzent Menschen aus der Modewelt interviewte. Wie bereits bei seinen anderen Figuren Ali G und Borat entlarvte er und provozierte mit seinen Suggestivfragen peinliche Antworten. Der neue Kinofilm soll nun an die „Funkyzeit“ anknüpfen.

Um noch mehr spektakuläres Filmmaterial zu sammeln, ist es wohl nicht verwunderlich, dass Cohen nach Mailand gemeinsam mit dem restlichen Modezirkus weiter nach Paris zog. Zunächst war er der Mittelpunkt der Show des Designers Jean Charles de Castelbajac. Bruno platzierte seinen eigens mitgebrachten Klappstuhl in der zweiten Reihe und fing alsbald an, kleine Zettelchen zu schreiben und sie den Models auf dem Laufsteg zuzustecken. Scheinbar geheime Liebespost. Zu g
uter Letzt kletterte er selbst auf den Laufsteg, schrie wichtigtuerisch in sein Handy und verschwand gemeinsam mit dem letzten Model hinter den Kulissen.
Den letzten Streich spielte Cohen der Designerin und Beatles-Tochter Stella McCartney, im roten Tanga, der deutlich unter seiner Jeans hervor blitzte und in ärmelloser Lederweste. Erneut in der zweiten Reihe sitzend, nur diesmal Tampons lutschend, mokierte er sich bei der „Front Row“ über die schlechte Sicht, beschimpfte sie und schubste sie beiseite.
Nach der Show darauf angesprochen, ob Stella denn gewusst habe, dass „Bruno“ kommen würde, antwortet sie „Bruno? I had no idea!“ und lachte. Ob man das glauben kann? Immerhin hatte Sacha Baron Cohen einen eigenen Sitzplatz...


Auf jeden Fall zeigte Stella, dass sie Spaß versteht. Im Gegensatz zu Agatha Ruiz de la Prada, die ihre Show unterbrach, um Bruno von der Polizei abführen zu lassen. Eigentlich kann die Designerin für Cohens Einlage mehr als dankbar sein - so oft wie jetzt stand ihr Name sicherlich noch nie in der Presse. Aber sie war nicht die Einzige, die die Aktionen des Komikers missbilligte. La Repubblica, eine bedeutende italienische Tageszeitung, war ebenfalls empört: „Der unverb
esserliche Sacha Baron Cohen hat die heiligen Rituale der Haute Couture vergewaltigt“. Grenzen überschreiten, provozieren und Menschen entlarven, die sich anderen überlegen fühlen - das sind die Hauptmotive von Cohens Figuren. Offensichtlich ist ihm das auf der Fashion Week hervorragend gelungen.




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